Im Einsatz für den Datenschutz: Isabela Bagueros, Geschäftsführerin bei Tor
Isabela Bagueros ist Geschäftsführerin bei Tor. 2015 kam sie als Projektmanagerin zum Tor-Projekt, nachdem sie vier Jahre lang als Produktmanagerin bei Twitter gearbeitet hatte. Isabela ist seit Ende der 90er Jahre Teil der Freie-Software-Community und war 2007 Mitbegründerin und Projektmanagerin für Lateinamerika für North by South, ein Startup aus San Francisco, das sich auf Freie-Software-Projekte konzentriert. Mit uns spricht sie darüber, wie zum Thema Online-Datenschutz kam und wie ihre Arbeit bei Tor aussieht.
Wann wurde dir zum ersten Mal bewusst, dass Online-Datenschutz wichtig ist? Und welcher Moment oder welche Erfahrung war dafür ausschlaggebend?
Das war in den frühen 2000er Jahren. Damals war ich Teil eines Kollektivs, das Online-Tools für seine Arbeit nutzte, und zum größten Teil verwendeten wir freie Software und hosteten die Dienste selbst. Ich glaube, dass diese Erfahrung mir bewusst gemacht hat, welche Daten ich bei der Verwendung von digitalen Werkzeugen und dem Internet erzeuge. Daten und ihr Schutz wurden zu einem festen Bestandteil meiner Liste der Dinge, die ich im Kopf durchgehe, wenn ich einen Dienst oder eine Lösung auswähle.
Zu dieser Zeit haben wir Workshops veranstaltet, um den Leuten beizubringen, wie das Internet funktioniert, und wir haben immer erwähnt, wie wichtig es ist, seine Daten zu schützen, zu wissen, wer Zugang zu ihnen hat, oder wo sie gehostet werden usw.
Was gefällt dir am besten an der Arbeit bei Tor?
Ich glaube, es sind die Menschen, die Teil der Organisation sind. Unsere Mission bringt eine Menge großartiger und sehr intelligenter Leute zusammen und ich genieße es, wie wir mit wenigen Mitteln so viel erreichen.
Wie hat Tor es geschafft, über die Jahre so stark zu wachsen?
Es gab einen Schub an Nutzer*innen, als 2013 Snowdens Enthüllungen herauskamen. Immer, wenn es auf der Welt ein solch signifikantes Ereignis gibt, verzeichnen wir einen Schub an Verbindungen aus den entsprechenden Regionen. Ich glaube, dass das Nutzerwachstum bei Tor sehr stark mit dem Bewusstsein der Menschen zusammenhängt, dass Privatsphäre wichtig ist. Genauso wie mit Zensur-Ereignissen auf der ganzen Welt. Wir arbeiten daran, die Nutzungserfahrung zu verbessern und es so einfach wie möglich zu machen, Tor zu benutzen, ohne dass man dabei einen Unterschied zu dem direkten Zugriff auf Online-Dienste spürt. Das machen wir, damit die Menschen, die in solchen Momenten beginnen, in denen viele Leute anfangen, Tor zu verwenden, diese neuen Nutzer*innen eine gute Erfahrung mit Tor machen und es somit öfter benutzen.
Wie inspirierst oder motivierst du als Geschäftsführerin von Tor dein Team?
Ich arbeite daran, eine Organisation aufzubauen, die einen sicheren Raum und ein Sicherheitsnetz bietet, um die Menschen, die Teil davon sind, darin zu unterstützen, das Beste aus sich herauszuholen. Ich denke, dass ich mein Team dadurch motiviere, an der Mission von Tor zu arbeiten – genau das ist es, was uns alle inspiriert, hier zu sein.
Gibt es irgendwelche neuen oder bevorstehenden Änderungen oder Ergänzungen zu Tor, über die du sprechen kannst?
Ich möchte darauf hinweisen, dass ziemlich bald die v2-Zwiebel-Dienste nicht mehr funktionieren werden, und alle vor Oktober auf v3 migrieren sollten – je früher desto besser. Wir haben darüber auch schon in unserem Newsletter, Blog und in den sozialen Medien informiert – aber wir wiederholen es an so vielen Stellen wie möglich, damit alle rechtzeitig für die eigene Migration sorgen.
Eine weitere coole Sache bei den Onion-Diensten ist, dass man jetzt DV-Zertifikate für v3-Onion-Sites bekommen kann, indem man HARICA nutzt, einen Root CA Operator, der von Academic Network (GUnet), einer zivilgesellschaftlichen Non-Profit-Organisation aus Griechenland, gegründet wurde.
Ich bin sehr begeistert von der Arbeit, die Nick Mathewson und andere aus dem Netzwerk-Team an ‘Arti’ machen – einer Rust-Implementierung von Tor. Unser Ziel ist es, Tor in einer Hochsprache zu haben, die Sicherheitsfunktionen hat und einfacher zu benutzen ist. Dadurch können wir ein kleineres Tor und eine robustere API zu bauen. Beides Dinge, die Entwickler*innen schon länger anfordern, um Tor in ihre Anwendungen zu integrieren.
Ich würde auch auf unsere stabile Version des Tor-Browsers aufmerksam machen, die wir im Juni herausgebracht haben. Wie schon in den letzten 5 Jahren wird auch diese Version signifikante Verbesserungen für die Nutzungserfahrung haben.
Was würdest du jemandem raten, der online mehr Privatsphäre haben möchte? Gibt es Datenschutz-Tools oder Tipps, die du empfehlen kannst?
Der erste Schritt besteht darin, ein Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass alle deine Aktionen im Internet Daten sind, die über dich produziert und gespeichert werden. Und es gibt keine wirklichen Vorschriften, die verhindern, dass diese Daten von Datenmaklern verkauft und von Tausenden von Unternehmen genutzt werden, die mit diesen Informationen ihr Geld verdienen. Der erste Schritt ist, sich Gedanken darüber zu machen, was mit den Informationen passiert, die du eingibst, den Links, die du angeklickst und mit allen weiteren Aktionen im Netz.
Danach mache es dir zur Gewohnheit, die Datenschutzeinstellungen aufzurufen. Die meisten Menschen tun das nie. Wir brauchen aber mehr Leute, die das tun, damit sie sehen, wie schrecklich der aktuelle Zustand ist und eine Änderung fordern. Die Beschwerden von Nutzer*innen, die Verabschiedung von Gesetzen, all das zwingt die Industrie dazu, über den Datenschutz nachzudenken. Das ist also eine Kette von Effekten, die uns allen helfen werden, online privater unterwegs zu sein.
Was die Werkzeuge angeht, empfehle ich den Tor Browser für das Surfen im Internet. Für Textnachrichten und Sprach-/Videoanrufe empfehle ich Signal. Für das Teilen von Dateien empfehle ich OnionShare.
Wie verbringst du deine Zeit außerhalb von Tor? Hobbys, Leidenschaften etc.
Ich tanze gerne Salsa und andere lateinamerikanische Tänze.
“Im Einsatz für den Datenschutz” ist eine Interview-Reihe mit Datenschutz-Experten aus aller Welt. Ziel ist es, das Thema Datenschutz und Privatsphäre aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Unsere Interviewpartner*innen erzählen, was sie tun, um ihre persönlichen Daten schützen und geben Empfehlungen für alle, denen der Schutz ihrer Privatsphäre wichtig ist. Wenn ihr jemanden kennt, den wir interviewen sollten, schickt uns eure Vorschläge an: [email protected]
Die in diesem Interview geäußerten Ansichten sind die unseres Interviewpartners und spiegeln nicht unbedingt die von Startpage wider.