23/09/2021

Im Einsatz für den Datenschutz: Martin Scharm und Tom Theile, Entwickler von DeinWal.de

Tom und Martin sind die Entwickler von DeinWal.de – einer etwas anderen Wahlentscheidungshilfe.

Tom und Martin sind die Entwickler von DeinWal.de – einer etwas anderen Wahlentscheidungshilfe, die sie zur Bundestagswahl 2021 neu aufgelegt haben. Bei DeinWal haben die beiden von Anfang an darauf geachtet, dass die Entscheidungen der Nutzer*innen nicht durch das Netz und insbesondere nicht an die Website-Betreiber geschickt werden. Damit haben sie Datenschutzmaßstäbe für technische Wahlentscheidungshilfen gesetzt. Mittlerweile haben andere Entscheidungshilfen wie der Wahl-O-Mat in Sachen Datenschutz nachgezogen. Wir haben mit den beiden über das Thema Datenschutz gesprochen. Ihr könnt ihnen auf Mastodon und Twitter folgen: Tom und Martin.

Füllt die Lücke: Privatsphäre ist __.

ein Grundrecht.

Warum ist euch der Schutz von persönlichen Daten wichtig? Beruflich und im Privatleben?

Jeder sollte selbst bestimmen können, was mit seinen Daten passiert. Wenn eine Organisation genug Daten über Personen besitzt, können erschreckend tiefe Einblicke und Vorhersagen generiert werden, welche im Mittel stimmen aber im nicht seltenen Ausnahmefall komplett falsch liegen. Das ist vielleicht nicht schlimm für die Organisation, aber kann katastrophal für den Einzelnen sein. Klar, als Datenwissenschaftler kennen wir natürlich auch das Potential, das in den Daten steckt. Wir stehen dem Datenhunger einiger Organisationen jedoch kritisch gegenüber. Per default sollten Daten nicht auf Vorrat gespeichert werden. Viel zu oft werden Daten gesammelt, obwohl es für den Betrieb eines Dienstes total unnötig ist. Insbesondere sollte aber jede*r genau wissen welche Daten gerade getrackt werden und was damit genau passiert.

Wann war euer erster Kontakt mit dem Thema Datenschutz und habt ihr die Nachteile von zu wenig Datenschutz schon einmal zu spüren bekommen?

Seit dem Studium wurden wir dafür sensibilisiert, unter anderem durch Freunde und den CCC. Seit dem fallen uns regelmäßig “spannende” Dinge auf. Wenn man bei der Google-Bilder-Suche bspw. nach einem unserer Namen sucht, findet man Bilder, die keinesfalls mit dem Namen getaggt sind. Aber Google scheint ihre Gesichtserkennung über sämtliche Bilder des Internets laufen zu lassen und findet dich trotzdem! Mit dem Bundestagswal 2017 haben wir das erste Mal wirklich negative Auswirkungen von fehlendem Datenschutz gespürt. Dank der Impressumspflicht bekamen wir wirklich glaubhafte Drohungen.

Ihr habt das Projekt “DeinWal.de” gestartet, um eine datensparsame Lösung anzubieten, die den Bürger*innen in Deutschland als Wahlentscheidungshilfe dient. Wie kam es zu der Entscheidung, den Datenschutz zu einer wesentlichen Funktion zu machen?

Nein, wir haben das Projekt DeinWal gestartet, um die Parteien an ihrem Abstimmungsverhalten messen zu können. Dass so ein Projekt datensparsam arbeitet, sollte einfach der Standard sein – wenn man Daten nicht unbedingt braucht, sollte man sie gar nicht erst erheben!! Dass die meisten anderen Wahlhilfen unsere Entscheidungen an den Betreiber schicken, fanden wir unnötig und unverantwortlich. Mit DeinWal wollten wir zeigen, dass das besser geht. Und siehe da, einige scheinen auf den Zug aufgesprungen zu sein. Uns hat diese Vorgehensweise übrigens auch viel Mühe und Serverressourcen erspart. 🙂

Daten zur politischen Gesinnung der Menschen sind für viele Akteure sicherlich attraktiv, denn sie geben einen Eindruck über die Stimmung im Land. Warum findet ihr diese Daten dennoch schützenswert?

Wenn sich Menschen beobachtet fühlen, entscheiden sie nicht frei. Die Wahlentscheidung ist vom Gesetz her Frei und Geheim und das sollten auch Wahlentscheidungshilfen sein.

Oft hört man das Argument, Datenschutz verhindere Innovation. Was würdet ihr gerne Entwickler*innen sagen, die abwägen, ob sie Datenschutz von Anfang an in die Produktentwicklung integrieren sollen?

Die Schwerkraft behindert auch Innovation – damit muss man umgehen können, wenn man trotzdem innovativ sein möchte. Die Datenschutzrichtlinien umzusetzen ist wirklich kein Hexenwerk – wenn man sich auf Daten beschränkt, die man wirklich benötigt. Es sei denn man möchte personenbezogene Daten missbrauchen, dann stören die Richtlinien bestimmt schon ein bisschen.

In Deutschland ist das Bewusstsein für den Datenschutz schon größer als in vielen anderen Ländern. Wie empfindet ihr die Wahrnehmung des Themas in der breiten Öffentlichkeit? Was ist schon gut, was muss sich verbessern?

Unserer Erfahrung nach sieht mittlerweile fast jeder den Datensammelwut als etwas Schlechtes an. Viele fühlen sich jedoch Ohnmächtig gegenüber den datensammelnden Firmen. Ist doch klar, dass sich die Klasse/Kita/Arbeitsgruppe per WhatsApp organisiert – “hat doch jeder” und „die haben doch eh schon alle Daten über mich“… Wir befürchten, dass es den meisten nicht bewusst ist, wie unfassbar viel Firmen wie Google und Facebook aber auch unbekannte Datenbroker schon über einen wissen. Und was sie mit den Daten machen können. Aber es gibt zum Glück mit der GDPR, Max Schrems, und vielen anderen Organisationen, Aktivisten und Tools eine Bewegung in die richtige Richtung.

Was macht ihr konkret, um eure persönlichen Daten online und offline zu schützen? Welche Tools verwendet ihr täglich?

Gute Frage… Das ist kompliziert, dazu könnten wir ‘ne Vorlesungsreihe machen.. Also grob versuchen wir die Datenkraken zu vermeiden und benutzen beispielsweise alternative Suchmaschinen (z.B. Startpage), Protokolle (z.B. Matrix, Mastodon, XMPP, …), Tools (z.B. Jitsi, CryptPad, …), Systeme (Linux, LineageOs, F-Droid), und Browserplugins (uBlock, uMatrix, … ) um Tracker und unnötige Drittanbieter zu blocken. Trotzdem tauchen wir vermutlich mit detaillierten Informationen in zig Datenbanken auf.

Welche Personen oder Organisationen haben euch ermutigt und/oder inspiriert, eure persönlichen Daten zu schützen?

Die NSA und insbesondere deren früherer Mitarbeiter Edward Snowden. Martin ist außerdem Mitglied im CCC, bei Digital Courage und in der FSFE.

Würdet ihr lieber: euren Suchverlauf öffentlich teilen oder eine Woche kein Internet haben?

Eine Woche kein Internet? Endlich Urlaub!


“Im Einsatz für den Datenschutz” ist eine Interview-Reihe mit Datenschutz-Experten aus aller Welt. Ziel ist es, das Thema Datenschutz und Privatsphäre aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Unsere Interviewpartner*innen erzählen, was sie tun, um ihre persönlichen Daten schützen und geben Empfehlungen für alle, denen der Schutz ihrer Privatsphäre wichtig ist. Wenn ihr jemanden kennt, den wir interviewen sollten, schickt uns eure Vorschläge an: [email protected]

Die in diesem Interview geäußerten Ansichten sind die unseres Interviewpartners und spiegeln nicht unbedingt die von Startpage wider.

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