Privatsphäre in den Wahlprogrammen zur Bundestagswahl 2021
Unser Recht auf Privatsphäre gilt auch für den digitalen Raum und sollte darum ganzheitlich verteidigt werden. Einerseits braucht es Gesetze, die festlegen, in welchem Rahmen unsere persönlichen Daten verarbeitet werden dürfen. Andererseits sollten Unternehmen ihre Produkte so entwickeln, dass sie uns als Nutzer*innen schützen. Und schließlich braucht es unsere Eigeninitiative, Online-Dienste zu wählen, bei denen wir die Kontrolle über unsere Daten behalten.
Bei der diesjährigen Bundestagswahl am 26. September sind alle Wahlberechtigten in Deutschland dazu aufgerufen, sich mit den Wahlprogrammen der Parteien auseinanderzusetzen und zu entscheiden, wer am ehesten ihre Überzeugungen vertritt. Dabei geht es auch um Themen, die unsere Privatsphäre betreffen. Wir haben uns diesbezüglich die Wahlprogramme der Parteien mit Regierungsverantwortung auf Bundes- oder Länderebene angeschaut.
Uns ist wichtig zu erwähnen, dass die einzelnen Wahlprogramme sehr unterschiedlich aufgebaut und formuliert sind. Deshalb fassen wir uns kurz, erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit und verlinken für genauere Informationen zum jeweiligenWahlprogramm.
Die Reihenfolge der Parteien ist zufällig gewählt und steht in keiner Relation zu einer Wertung oder Präferenz einer politischen Richtung.
So planen die Parteien in ihren Wahlprogrammen, die Privatsphäre in den Bereichen Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung und Digitalisierung zu schützen:
CDU/CSU: Gemeinsam für ein modernes Deutschland
Wirtschaft
Die CDU/CSU möchte einheitlich, nutzerzentrierte Datenschutzregeln schaffen, die im gesamten europäischen Raum gelten. Tech-Giganten sollen in ihrer Marktmacht beschränkt werden und zu Transparenz- und Verantwortungsstandards verpflichtet werden. Außerdem sollen sichere Technologien “made in Europe” als wettbewerbsfähige Optionen gefördert werden.
Gesellschaft
Verbraucher*innen sollen Regeln wie die DSGVO und Einverständniserklärungen besser verstehen können sowie mehr Datentransparenz erhalten. Überwachungsmaßnahmen wie Videoüberwachung mit automatisierter Gesichtserkennung sollen zur Sicherheit an öffentlichen Orten erweitert werden. Außerdem sollen Sicherheitsbehörden, Verfassungsschutz und Polizei mehr Befugnisse erhalten, z.B. durch Telefonüberwachung oder Zugriff auf verschlüsselten digitalen Schriftverkehr.
Bildung
Digitales und Medienkompetenzen sollen an Schulen ausgebaut werden, damit auch junge Menschen digitale Technologien besser nutzen und bewerten können.
Digitalisierung
Die CDU/CSU setzt sich für ein Digitalministerium ein, das digitale Innovation und Transformation in der Bundesrepublik steuern soll. Sie möchte mehr Datenaustausch in den Bereichen Gesundheit und Mobilität, um Innovationen voranzutreiben. Datenschutz und Datensicherheit sollen dabei gewahrt werden, aber nicht als “Super-Grundrecht” Innovationen hemmen.
Das ganze Wahlprogramm der CDU/CSU lesen:
SPD: Aus Respekt vor deiner Zukunft
Wirtschaft
Die SPD möchte große Plattformkonzerne mit EU-weiten Regelungen besser kontrollieren und zur Freigabe anonymisierter Daten verpflichten. Alternative Angebote mit hoher Datensouveränität sowie die Entwicklung von Anonymisierungstechniken sollen gefördert, De-Anonymisierung dagegen verboten werden. Algorithmen sollen transparenter und überprüfbar werden. Hersteller sollen ihre Produkte zukünftig nach dem Prinzip “security-by-default” entwickeln.
Gesellschaft
Die SPD setzt sich für mehr Selbstbestimmung über die eigenen Daten und mehr Medienkompetenz bei Bürger*innen ein. Bund und Länder sollen besser bei der Abwehr von Cyberattacken, Terrorismus und Desinformation zusammenarbeiten, um die Sicherheit der Gesellschaft wahren.
Bildung
An Schulen und Volkshochschulen soll Medienkompetenz für alle Generationen gefördert werden und eine erstklassige digitale Ausstattung zum Standard gehören. Lehr- und Lernmaterialien sollen in einer Open-Source-Plattform verfügbar sein.
Digitalisierung
Bürger*innen sollen ihre eigene digitale Identität bei staatlichen Dienstleistungen datenschutzkonform und sicher verwalten können. Im Gesundheitssektor sollen Patientendaten einen besonderen Schutz genießen.
Das ganze Wahlprogramm der SPD lesen:
Bündnis 90/ die Grünen: Deutschland. Alles ist drin.
Wirtschaft
Die Grünen möchte die übermäßige Marktmacht von Internet-Giganten eindämmen und sie zu Kooperation und Transparenz verpflichten. Algorithmen sollen transparent und überprüfbar sein. Zudem soll es europaweite Standards für Datenschutz, Qualität und Rechtssicherheit geben.
Gesellschaft
Ein moderner und effektiver Datenschutz, sowie hohe IT-Standards bei digitalen Infrastrukturen sollen das Recht auf Privatsphäre stärken. Pauschale Massenüberwachung, automatische Gesichtserkennung und Vorratsdatenspeicherung lehnen die Grünen ab. Bei Sicherheitslücken soll eine Meldepflicht gelten.
Bildung
Die Grünen möchten besonders die digitale Sicherheit von Kindern fördern: Durch eine starke digitale Bildung und Medienkompetenz sowie einen besonderen Schutz vor dem Sammeln ihrer Daten durch private Anbieter.
Digitalisierung
Mit Kartellbehörden und gesetzlichen Regelungen für dezentrale Datenpools möchten die Grünen überprüfbar machen, wie personenbezogene und anonymisierte Daten erhoben und genutzt werden. Alle Bürger*innen sollen einen sicheren digitalen Ausweis bekommen und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung soll standardisiert bei der Kommunikation mit der öffentlichen Hand eingesetzt werden.
Das ganze Wahlprogramm der Grünen lesen:
FDP: Nie gab es mehr zu tun
Wirtschaft
Die FDP setzt sich dafür ein, dass Hard- und Software nach dem “Privacy-by-Design”-Prinzip entwickelt werden und Unternehmen Datenschutzbestimmungen unbürokratisch umsetzen können. Ein EU-weiter Rahmen für nicht-personenbezogene Daten soll Bürger*innen ein Nutzungsrecht an den von ihnen erzeugten Daten einräumen.
Gesellschaft
Die FDP fordert mehr Selbstbestimmung und Transparenz beim Datenschutz. Bürger*innen sollen explizit einwilligen müssen, damit personenbezogene Daten verarbeitet werden dürfen. Bei elektronischer Kommunikation soll Verschlüsselung zum Standard werden. Die freien Demokraten lehnen eine lückenlose Totalüberwachung, Videoüberwachung im öffentlichen Raum, Vorratsdatenspeicherung und Onlinedurchsuchungen ab. Polizei und Justiz sollen nur zielgerichtet Überwachungstechniken einsetzen dürfen, die die Privatsphäre und die Grundrechte der Bevölkerung wahrt.
Bildung
Mit dem neuen Schulfach ‘Wirtschaft und Informatik’ sollen Schüler*innen in ihren digitalen Kompetenzen gestärkt werden. Bei digitalen Lehr- und Lernformen an Schule und Hochschulen soll der Datenschutz eine zentrale Rolle spielen.
Digitalisierung
Die FDP möchte eine gesetzliche Grundlage, die den Datenaustausch bei staatlichen Behörden zur Bekämpfung von Terror und Extremismus regelt. Ein Bundesministerium für digitale Transformation soll eingerichtet werden. Für Bürger*innen soll die virtuelle Verwaltung ihrer personenbezogenen Daten in einem ‘Deutschlandportal’ vereinfacht werden.
Das ganze Wahlprogramm der FDP lesen:
Die Linke: Zeit zu handeln!
Wirtschaft
Die Linke fordert ein europaweites Kartellrecht, dass eine Monopolstellung von großen Tech-Konzernen verhindert. Stattdessen soll die Wettbewerbsfähigkeit ausgebaut und Alternativen gefördert werden. Hersteller sollen bei der Entwicklung digitaler Produkte zu “Security-by-design” verpflichtet werden. Mit globalen Regeln möchte die Linke den Datenschutz in allen Technologiebereichen sichern. Für Algorithmen soll es ethische Richtlinien und mehr Transparenz geben. Digitale Zahlungsdienste möchte die Linke strengeren Datenschutzregulierungen unterwerfen.
Gesellschaft
Die Linke möchte Beschäftigte stärker vor Überwachung schützen. Außerdem soll Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Bestandteil des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung werden. Videoüberwachung im öffentlichen Raum, Spyware und Vorratsdatenspeicherung lehnt die Linke ab. Die DSGVO soll erweitert und Datenschutzbehörden gestärkt werden.
Bildung
Kinder und Jugendliche sollen möglichst früh über Medien- und Datenschutzkompetenzen verfügen. Bei digitalen Lehr- und Lernmitteln sollen hohe Datenschutzstandards gelten.
Digitalisierung
Die Linke fordert, dass die öffentliche Hand Ende-zu-Ende verschlüsselte Kommunikationswege bereitstellt. Das Informationsfreiheitsgesetz soll ausgeweitet werden. Bei Mobilitätsplattformen dürfen Daten nur in aggregierter Form veröffentlicht werden. Bei Softwareprogrammierung möchte die Linke Datensparsamkeit gesetzlich vorgeben.
Das ganze Wahlprogramm der Linken lesen:
So kannst du deine Privatsphäre schützen
Wie zu Beginn dieses Beitrags erwähnt, müssen Politik, Wirtschaft und wir als individuelle Nutzer*innen gemeinsam unser Recht auf Privatsphäre verteidigen. Auf unserem Blog findest du viele hilfreiche Beiträge, wie selbst deine Privatsphäre schützen kannst.
Zum Beispiel, indem du
- eine private Suchmaschine wie Startpage nutzt,
- sichere E-Mail-Dienste (z.B. ) und Browser verwendest
- und dich vor der Nutzung neuer Software und Produkte über deren Datenschutzbestimmungen informierst.